"Dividendenstripping im Zwielicht"

Der größte Fall von Steuerhinterziehung in der gesamten deutschen Geschichte trägt den kryptischen Namen „Cum-Ex“ oder auch „Dividendenstripping“. Es geht hierbei um nicht weniger als in der Summe 31,8 Milliarden (!) Euro Steuergeld. Dieses gewaltige Ausmaß und die kriminelle Energie, mit der Banken und Großinvestoren hier gehandelt haben, lässt den Vorfall zu einem einzigartigen Thema werden, dessen Aufarbeitung nun schon viele Jahre andauert.

Die Hinterziehung wurde durch Bankberater an Großinvestoren „verkauft“ und hat somit gewerbsmäßigen bzw. bandenmäßigen Charakter. Die Schweizer Bank Sarasin hat Fonds mit Cum-Ex Gestaltungen aufgelegt, zu deren Zeichnern unter anderem der Finanzinvestor Carsten Maschmeyer oder der „Drogeriekönig“ Erwin Müller gehörten. Beide gingen schließlich juristisch gegen die Bank Sarasin vor, da sie sich bei ihrem Investment getäuscht sahen. Der Anwalt von Erwin Müller, Eckhard Seith, war mit seinen Informationen der Ausgangspunkt für weltweite Ermittlungen. Aktuell wird er von der schweizerischen Staatsanwaltschaft wegen Wirtschaftsspionage verfolgt.

Hinter „Cum-Ex“ verbirgt sich eine einfache Methode: An der Börse ist es möglich, einen Kaufvertrag über eine Aktie zu schließen, obwohl man selbst gar nicht Eigentümer dieser Aktie ist, sondern diese nur geliehen hat. Dies nennt sich „Leerverkauf“. Jemand leiht sich also eine Aktie vom Eigentümer aus und schließt einen Kaufvertrag mit einem Dritten. Weder der Verkäufer noch der Dritte erwerben jedoch tatsächlich Eigentum an der Aktie. Wenn es nun zur Dividendenzahlung kommt, behält die auszahlende Bank Kapitalertragsteuer ein. Diese einbehaltene Steuer kann sich der Aktieninhaber auf seine persönliche Steuerschuld anrechnen lassen, sodass er diese erstattet bekommt. Durch den Verkauf der Aktie wurden jedoch von den depotführenden Banken Steuerbescheinigungen für die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder gleich mehrfach für unterschiedliche Personen ausgestellt. Es wurde davon ausgegangen, dass jeder Beteiligte Eigentümer der Aktie ist, obwohl dies bei Zahlung der Dividende nicht der Fall war. Somit konnten sich gleichzeitig mehrere Personen die einmal gezahlte Steuer erstatten lassen.

Aus Fachkreisen wurde anfangs argumentiert, dass es eine Gesetzeslücke gab und die Handlungen somit im weitesten Sinne gesetzeskonform waren. Und tatsächlich war das rege Treiben dem Gesetzgeber nicht unbekannt: bereits 1992 tauchten die Cum-Ex Geschäfte in einem Papier der Hessischen Landesbank mit dem unschicklich anmutenden Namen „Dividendenstripping im Zwielicht“ auf. 2002 hat der Bankenverband das Finanzministerium auf die Geschäfte ausdrücklich hingewiesen. Dieses hat jedoch erst 2007 das Gesetz unzureichend ausgebessert und 2011 schließlich die Cum-Ex Geschäfte ausdrücklich unterbunden. Das jedoch nie die Notwendigkeit bestand eine etwaige Gesetzesücke zu schließen, sollte sofort auffallen: es kann niemals rechtmäßig sein, sich eine einmal gezahlte Steuer mehrfach zurückerstatten zu lassen. Dies muss nicht ausdrücklich geregelt werden und lässt auch unter Juristen keinen Zweifel an der Unrechtmäßigkeit des „Dividendenstripping“.

21.03.2019

Janina Döpke, Steuerberater - Dipl. -Bw. (FH)
Bruchweg 1, 31603 Diepenau
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