Arbeitszeiterfassung in der EU - Arbeitnehmerschutz oder Kontrollzwang?

Ein neues Urteil vom Europäischen Gerichtshof treibt Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern Sorgenfalten auf die Stirn. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 14.05.2019 (C-55/18) entscheiden, dass alle Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet werden Gesetze zu erlassen, welche die systematische Erfassung der Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer vorschreiben. Kläger war eine spanische Gewerkschaft, die gegen die fehlende Arbeitszeiterfassung der Deutschen Bank vorging. Konkret begehrte die Gewerkschaft die Einrichtung eines „Systems zur Arbeitszeiterfassung“.

Aufzeichnungspflichten sind für Arbeitgeber ein präsentes Thema. Auch das derzeitige Arbeitszeitgesetz sieht für Überstunden und Sonn- und Feiertagsarbeit eine Aufzeichnungspflicht vor. Darüber hinaus gibt es Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz für bestimmte Gewerbearten, wie z.B. das Baugewerbe und die Gastronomie. Beide Seiten aus diesen Branchen, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, kennen das aufwändige Prozedere.

Das bereits bestehende Arbeitszeitgesetz dient dem Schutz der Arbeitnehmer, was unzweifelhaft richtig ist. Jedoch sollte man angesichts der kostspieligen Konsequenzen einer Ausweitung dieser Pflichten auf alle Arbeitnehmer auch über den Sinn der Regelung nachdenken. Hier hilft es, einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Gesetzeslage zu werfen.

Die Arbeitszeitvorschriften stammen noch aus Zeiten der industriellen Revolution, wo täglich 12 bis 14 Arbeitsstunden geleistet werden mussten. 1918 wurde erstmals der 8-Stunden Tag eingeführt, der somit im letzten Jahr sein 100-jähriges(!) Jubiläum feierte. 1923 gab es die erste Arbeitszeitverordnung. Erst 1994 wurde der 8-Stunden Tag im heutigen Arbeitszeitgesetz festgehalten.

Bisher waren die Höchstarbeitszeiten eine Regelung, für deren Einhaltung Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam zuständig waren. Oft wurde die Einhaltung der Vorschriften auch durch den Betriebsrat kontrolliert. Dies wurde offensichtlich für eine sehr lange Zeit als ausreichend erachtet. Die neue Regelungswut erscheint somit fraglich.

Das eine strenge Kontrolle der Arbeitszeiten und Ruhepausen nicht unbedingt vorteilhaft ist, beweisen auch die Arbeitsbedingungen bei großen Online-Versandhäusern. Arbeitszeiten werden dort lückenlos dokumentiert, Computer erfassen jeden Arbeitsschritt, die Arbeitnehmer werden per Kamera überwacht und in den USA wird den Mitarbeitern sogar automatisiert gekündigt wenn sie nicht die vorgegebene Leistung erbringen. Mit welchem Ergebnis dieser Aufwand gerechtfertigt wird, bleibt offen. Zumindest dürfen sich die Arbeitnehmer einer minutiösen Einhaltung der geregelten Toilettenpausen sicher sein.

title (Cartoon mit freundlicher Genehmigung von Karl Berger)

31.05.2019

Janina Döpke, Steuerberater - Dipl. -Bw. (FH)
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